Von der Standes- und Zunfttracht zur regionalen Tracht
Seit dem Mittelalter diente die Kleidung vor allem der Kennzeichnung der sozialen Stellung. Zuschnitt und Farbe, Material und Kostbarkeit unterschieden den Adeligen vom Bürger, den Bauern vom Dienstboten, aber auch den Verheirateten vom Ledigen. Sie wiesen auf seine Herkunft hin und seit der Refomation auch auf seine Religionszugehörigkeit. Wie in den Zunftordnungen streng darauf geachtet wurde, dass der genau umschriebene Produktionsbereich nicht überschritten wurde, so sollte auch der äußere fest umrissene Habitus eingehalten werden. Jeder Versuch, sich der nächsthöheren sozialen Ebene anzunähern, wurde mit den strengen Verboten der Kleiderordnung unterbunden. Wenn aber die Mode sich wandelte, verwischten sich die Grenzen, die veralteten Schmuck und Kleiderformen gingen auf die niederen Schichten über, die auf diese Weise verspätet am kulturgeschichtlichen Entwicklungsverlauf teilnahmen. Erst das 19. Jahrhundert hat die Schranken niedergerissen, die die bayrische Kultur so lange ( ...) umgaben. Nun erst unterschieden sich die Isarwinkler von den Miesbachern, die Werdenfelser von den Berchtesgadenern, es kristallisierte sich eine spezifische Lokaltracht mit ihrem zugehörigen Schmuck heraus. Die Voraussetzung dazu war freilich ein bescheidener materialler Aufschwung, der solchen Luxus ermöglichte, und die Aufhebung der alten Ständeordnung mit ihren Kleidervorschriften. Quelle: Gierl, Irmgard (1972): Trachtenschmuck aus fünf Jahrhunderten. Rosenheim: Rosenheimer Verlagshaus. Seite 7
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Ötztaler Schafwollzentrum Regensburger 1938 vom Großvater des aktuellen Geschäftsführers Joachim Regensburger gegründet, fühlte man sich im Familienunternehmen in guten wie in schlechten Zeiten den regionalen Naturmaterialien verpflichtet. War es bis zum Ende der 1940er Jahre die Flachsproduktion, so ist man später zur Wollproduktion übergegangen. Heute verarbeitet der Betrieb als einziger weltweit die Wolle des Tiroler Berg- und Steinschafs, die von ca. 400 Bauern in einem Umkreis von 150 km geliefert wird. Seit dem Bau einer modernen Waschanlage vor 20 Jahren läuft der gesamte Produktionsprozess unter einem Dach ab. Neben der Wollproduktion hat sich das Unternehmen eine Expertise in der Teppichherstellung angeeignet. Nähere Informationen finden Sie unter: https://www.schafwolle.com/ Foto: (c) Ötztaler Schafwollzentrum/Regensburger Eine weiteres generelles Thema, das aufgrund des begrenzten Seitenumfangs der Stil-Bibel Tracht ausgeschieden ist:
Gesellschaftliche Einflüsse auf das Bekleidungsverhalten Über Situationen und Anlässe hinweg, kleiden sich Menschen mehr oder weniger bewusst im Modus der Gesellschaftsgruppe, der sie sich zugehörig fühlen: Die Altersfrage wurde aus der Mode eliminiert. Wenn Dior anno 1954 reiferen Damen Eleganz statt Jugendlichkeit empfiehlt, so ist das mittlerweile passé. Zum einen, weil Trends in allen Altersgruppen gelebt werden und zum anderen, weil die Looks der Damen nicht auf Jugendlichkeit und Eleganz zu reduzieren sind. Dennoch sind modische Experimente den Teenagerszenen vorbehalten und casual Styles Schülern und Studenten. Später erfordert die Sozialisierung im Berufsleben eine Adaption des Bekleidungsverhaltens. Verschiedene Branchen haben verschiedene Dresscodes. Den höchsten Grad an Formalität erwartet man im Bankenwesen. Ganz allgemein sind es die Jobs mit Kundenkontakt, die formelle Kleidung erfordern. Der zunehmend informelle und individuelle Bekleidungsstil In der breiten Öffentlichkeit ist dem Internet und den Creative Industries geschuldet. Bei der Bildschirmarbeit soll Bekleidung in erster Linie bequem sein. In Ateliers und Kreativwerkstätten darf sie bequem sein und soll – je nach Arbeitsprozess - u.U. auch funktionell und widerstandsfähig sein. Auf politischer Ebene ist leicht zu beobachten, dass junge Politiker, die informell auftreten - wie etwa der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Januar 2015 nach seinem Amtsantritt - bei der älteren Generation nach wie vor ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen. Bei seinem ersten Treffen mit dem Präsidenten des EU-Parlaments Martin Schulz, tippte ihm dieser fragend an die Stelle, an der die Krawatte fehlte. Für Politikerinnen gestaltet sich die Kleiderwahl noch schwieriger, weil sie, wie Eva Flicker (2013, 201-219) vom Soziologie Institut an der Universität Wien feststellt, einerseits mit Frauen aus dem Unterhaltungsbusiness verglichen werden und anderseits für ein feminines und modisches Äußeres mit Sexismus und Missachtung bestraft werden. Noch schwieriger wird es, wenn Trachtenmode mit Politik in Berührung kommt. Nach dem Vorbild der Herrscherhäuser und der Nationalsozialisten benutzen bestimmte Parteien die Tracht nach wie vor um ihre rechte Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. Eine Tatsache, die wahren Trachtenliebhabern ein Dorn im Auge ist und die Tracht in linksintellektuellen Kreisen ad absurdum geführt hat. In der alpenländischen Politik ist die Trachtenbekleidung im Kontext von transnationalem Kulturaustausch jedoch obligatorisch. unveröffentlicht Hildegard Suntinger |
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